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17.05.2024

02.05.2024

Synthese neuer Formen von Kohlenstoffverbindungen

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In einer bahnbrechenden Studie haben Forschende der Universität Bayreuth neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Hochdruck-Kohlenstoffchemie gewonnen. Sie synthetisierten zwei neue Carbide - Verbindungen aus Kohlenstoff und einem weiteren chemischen Element - mit einzigartigen Strukturen. Die Ergebnisse könnten eine unerwartete Erklärung für die weite Verbreitung von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen im Universum liefern.

Carbide sind Verbindungen aus Kohlenstoff und einem anderen chemischen Element. In Zusammenarbeit mit internationalen Institutionen haben Bayreuther Forscher zwei Carbide synthetisiert, die metallorganischen Verbindungen ähneln und einen neuen Einblick in das Verhalten komplexer Kohlenstoffstrukturen unter extrem hohem Druck und hohen Temperaturen geben können.

Die mögliche Existenz oder Bildung solcher Verbindungen unter den Bedingungen im Inneren von Planeten könnte wichtige Auswirkungen auf die Geowissenschaften und die Astrobiologie haben, da sie der Ursprung von Kohlenwasserstoffen sein und eine Rolle bei der Entstehung von Leben spielen könnten.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut und Prof. Dr. Natalia Dubrovinskaia vom Labor für Kristallographie der Universität Bayreuth haben Forschende neue Kohlenstoffverbindungen synthetisiert, deren Strukturelemente denen komplexer organischer Moleküle ähneln, jedoch deprotoniert sind (d.h. keinen Wasserstoff enthalten).

Hierfür verwendeten die Forschenden Diamantstempelzellen, die winzige Calciumcarbid-Kristalle mit Drücken im dreistelligen Gigapascal-Bereich komprimierten und sie gleichzeitig auf Temperaturen von etwa 3.000 °C erhitzten. Diese Bedingungen entsprechen denjenigen in einer Tiefe von 2.900 km im Erdinneren. Durch die Veränderung von Druck und Temperatur entstanden aus dem Calciumcarbid zwei neue Kohlenstoffverbindungen: ein Hochdruck-Polymorph von CaC2 sowie Ca3C7.

Das Hochdruck-Polymorph von CaC2 hat zwar die gleiche chemische Zusammensetzung wie das Ausgangsmaterial, unterscheidet sich davon jedoch in der räumlichen Anordnung der Atome und in den chemischen Eigenschaften. Das Polymorph weist Kohlenstoffketten auf, die unter Bedingungen bestehen können, welche diejenigen weit überschreiten, die für die Existenz von herkömmlichen organischen Verbindungen bekannt sind. Die Bildung solcher Verbindungen unter den Bedingungen im Inneren von Planeten könnte sogar bei der Entstehung von Leben eine Rolle gespielt haben, weil sie der Ursprung von Kohlenwasserstoffen sein könnten.

Die Verbindung mit der chemischen Formel Ca3C7 wurde bisher noch nie beobachtet, sodass ihre Synthese und Strukturaufklärung einen bedeutenden Schritt zum Verständnis des Verhaltens von Materialien auf Kohlenstoffbasis unter extremen Bedingungen darstellen.

Prof. Dr. Leonid Dubrovinsky, der leitende Forscher der Studie, erklärte: "Unsere Ergebnisse erweitern nicht nur die Grenzen der bekannten Kohlenstoffchemie, sondern bieten auch eine neue Perspektive darauf, wie komplexe Kohlenstoffstrukturen in der Tiefe der Erde und möglicherweise in anderen planetarischen Körpern existieren könnten".

"Die Ähnlichkeiten zwischen diesen Hochdruckkarbiden und deprotonierten metallorganischen Verbindungen eröffnen spannende Möglichkeiten für die Entwicklung neuartiger Materialien mit einzigartigen elektronischen, magnetischen und optischen Eigenschaften", fügte Prof. Dr. Natalia Dubrovinskaia hinzu.

Die Forschungsarbeiten wurden in internationaler Zusammenarbeit von Wissenschaftlern des Bayerischen Geoinstituts und des Laboratoriums für Kristallographie der Universität Bayreuth, des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY), der Universität Köln, der Universität Edinburgh, der Goethe-Universität Frankfurt, der University of Chicago, der Europäischen Synchrotronstrahlungsanlage und der Universität Linköping durchgeführt.

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Quelle: Universität Bayreuth